iX 11/06: Web2.0 vs. Semantic Web
Markus Trapp hat ja schon auf die aktuelle Ausgabe der iX und den Artikel über Microformats hingewiesen. Jedoch finde cih den Artikel der sich direkt davor befindet „Smartes Chaos. Web 2.0 versus Sematic Web“ von Cai Ziegler noch interessanter. Insbesondere erinnert mich die Gegenüberstellung von Semantic Web und Folksonomien stark an den Vergleich mit der bibliothekarischen Sacherschließung:
„Folksonomien entsagen den ordnenden Prinzipien, die in den strengen Strukturen der Taxonomie zu finden sind. Und genau darin liegt ihre Stärke: Die Vergabe eines Tags bedarf keines großen Aufwands und ist in wenigen Sekunden vollzogen; Surfer weisen Labels zu, die ihnen gerade in den Sinn kommen und ihnen am besten geeignet erscheinen, das dahinter stehende Konzept zu beschreiben.“
Das Semantic Web wird sich nur dann durchsetzen, wenn es zusammen mit dem Web 2.0 funktioniert. Ein reines Sematic Web hält Cai Ziegler für gescheitert. Insbesondere durch die Probleme der Vereinbarkeit von verschiedenen Taxonomien und Ontologien:
„Tatsächlich handelt es sich um in der Künstlichen Intelligenz altbekannte Probleme, seit Jahrzehnten ungelöst, nun in ein neues Gewand frisch verpackt.“
Nun Jakob Voß würde diesem sicher widersprechen und SKOS als Lösung für genau dieses Problem präsentieren. (Er hat am 17.10.06 im Berliner Bibliothekswissenschaftlichen Kolloquium einen Vortrag dazu gehalten) Jedoch bin ich mir nicht so ganz sicher ob sich dies, auch wenn es ein W3C Standart wird, durchsetzen können. Denn wir können nicht darum herum das Ontologien und Taxonomien erstellt werden müssen und dass diese dann auch noch intellektuell aufeinander gemappt werden müssen. Dies mag in Spezialanwendungen wie bestimmten Datenbanken durchaus praktisch sein, jedoch habe ich meine Zweifel, dass sich so etwas für das Web insgesamt durchsetzen wird.
Update: Direkt noch ein kleiner Nachtrag aus den Kommentaren die auf Markus seinen Beitrag erfolgten. Harald Sack weißt dort auf seinen interessanten Beitrag: “ how to connect semantic web and web 2.0“ hin. Von Benjamin Nowack stammt der Hinweis das der Beitrag in der RDF Community zerrissen wurde und inhaltliche Fehler enthält (leider sagt er nicht welche ) Ebenso weißt er auf seine Präsentation Semantic Web und Web2.0 hin.
Ich persönlich sehe nach Durchsicht all dieser Quellen nicht, wie das Problem der Eindeutigkeit (Semantic Web) und kontrollierten Vokabularen gegenüber dem Sozial Tagging (mehrere Begriffe für dasselbe Konzept) gelöst sein soll. Microformats sind daher natürlich nur ein Semantic Web light, weil sie genau diese Problematik umgehen.
Tags:Semantic Web, Benjamin Nowack, Folksonomy, iX, Jakob Voss, Markus Trapp, Microformats, SKOS
Patrick, danke für den Hinweis.
Du hast recht, der Artikel von Cai Ziegler (”Web 2.0 versus Semantic Web”) ist – gerade aus bibliothekarischer Sicht – noch interessanter (auf diesen gehen wir bei mir auch in den Kommentaren ein, dort auch mit kritischen Stimmen.)
man sollte einen Blogartikel zu Ende lesen, du weist ja selbst darauf hin, sorry 😉
Pingback:
Hallo Patrick,
hab was zu den inhaltlichen Fehlern im iX-Artikel geschrieben, ist länger geworden als geplant: http://www.bnode.org/archives2/64
Viel Gruß,
Benjamin
Danke Benjamin, wirklich sehr informativ und in vielen Punkten geben ich dir völlig recht, wenn man nicht völlig in der Materie drin steckt fällt das nicht direkt so ins Auge.
Was ich nicht ganz verstehe, ist in wie weit SKOS wirklich Folksonomy kompatibel ist und das würde mich wirklich sehr interessieren. Wenn ich Jakobs Vortrag richtig verstanden habe geht es doch gerade bei SKOS um die Abbildung von Thesauri. Hier ist es aber notwendig das innerhalb eines Systems ein Begriff einen Hauptbezeichner hat. Alternativbezeichnungen sind zwar möglich aber immer Teil des einen Begriffs. Zwar lassen sich in verschiedenen Bereichen (z.B. Datenbanken unterschiedliche Thesauri verwenden (die dann mit SKOS Mapping aufeinander abgebildet werden können) jedoch der Brückenschlag zur Folksonomy in der ja jeder seinen beliebigen Begriff innerhalb eines Systems (z.B. del.icio.us) verwenden kann gelingt mir nicht wirklich. Aber wie schon gesagt ich bin kein Experte 😉
Mit SKOS lassen sich nicht nur Thesauri abbilden. Das Grundprinzip ist die Zuordnung von Konzepten (oder Tags) zu URIs (bzw. IRIs, wenn man pedantisch sein möchte). Ob man nun User-spezifische URIs vergibt (z.B. http://del.skos.us/rdf/john/tag/web) oder system-weite (z.B. http://del.skos.us/rdf/tag/web) ist zunächst einmal egal. Durch die URIs und RDF kann ich unabhängig sagen, dass „User john Ressource X mit Tag Y“ versehen hat. Den Folksonomy-Effekt erhalte dadurch, dass das System beim Erstellen eines neuen Tags das skos:prefLabel automatisch auf den Tag-Namen setzt („web“ in usnerem Beispiel). Nun kann ich im Anschluss alle Abfragen durchführen, die für einen del.icio.us-Klon nötig sind:
– alle Ressourcen mit einem Tag dessen prefLabel „web“ ist (klassische Folksonomy)
– alle Ressourcen die ein bestimmter User getaggt hat (über die URIs oder ergänzende RDF-Statements)
– alle Tags die ein bestimmter User für eine bestimmte Ressource verwendet hat
– Anzahl aller Tags mit prefLabel „web“ für eine bestimmte Ressource (COUNT geht leider nicht mit Standard-SPARQL, aber die meisten Toolkits bieten dennoch entsprechende Funktionalität)
Das Ganze ist teilweise ’ne GUI-Sache. Der Tagging-Dialog muss sich in keiner Weise von den bestehenden unterscheiden: Ich geb ’nen Tag ein, im Hintergrund werden URIs und Labels erzeugt. Interessant wird’s dann, wenn man ein wenig weiter geht. Durch RDF habe ich ja z.B. die Möglichkeit, diese Tags mit einer Person (z.B. über FOAF) zu verknüpfen. Dann könnte man beispielsweise einen kompletten Tag-Satz exportieren und bei flickr o.ae. importieren. Oder mit nem SKOS-Tool (das es derzeit noch nicht gibt) die Tags in eine Taxonomie oder einen Thesaurus zu überführen und dann eine „Gib mir alle bookmarks zu ‚web‘ und narrower Terms“-Abfrage starten.
Vielen Dank für die Erklärung, da hab ich mal wieder was dazu gelernt. Und man sieht bloggen bildet
Das große Problem von Semantic Web, im Gegensatz zu Web 2.0, ist auf jeden Fall, dass es einfach noch nicht anschaulich genug ist, ganz einfach weil es noch viel zu wenig zum Anschauen gibt (wie dein Posting ja auch wieder zeigt). 😉 Daher gibt es hier einfach noch leichter Missverständnisse.
Da geb ich dir komplett recht. Und die SemWeb-Community ist leider noch stark von PhDs und -Anwärtern dominiert, die es lieben, an wirren Ideen und isolierten Problemen zu arbeiten. So (ganz) langsam ändert sich die Situation zum Glück, nicht zuletzt auch durch die Web 2.0 Diskussion 😉
Und mir fällt noch ein weiterer Unterschied ein: die Semantic Web Leute brauchen erst einen Standard und fangen dann an (ca. 3-4 Jahre dauert erstmal die Verabschiedung des Standards) im Gegensatz zum Web 2.0 wo man erstmal einfach macht und sich dann Gedanken drum macht wie man dies oder jenes Vereinheitlichen könnte. Dies führt dann zu den Microformaten.
Die hat natürlich auch mit den unterschiedlichen Kulturen zu tun. Das Semantic Web wird wie du auch schreibst hauptsächlich von Akademikern vorangetrieben während die „Industrie“ sofort sich auf das vermarktbare Web 2.0 gestürzt hat.
Ich bin mitnichten ein Vertreter des Semantic Web – SKOS soll vor allem dazu dienen, die bereits vorhandenene Taxonomien, Thesauri, Klassifikation etc. in einem einheitlichen Format abzubilden und zusammenzuführen – zum Beispiel um Anfragen über verschiedene Vokabulare auführen zu können. Mit Semantic Web hat das ganze nur insofern zu tun, als dass Technologien des Semantic Web verwendet werden. Nicht zu unrecht wird SKOS auch „Semantic Web Lite“ genannt.
@Benjamin: Zur Abbildung von Tagging-Systemen in SKOS ist noch Input auf der public-esw-thes@w3.org mailingliste gefragt. Das man irgendwie tagging und SKOS zusammenbringen kann, ist klar, aber bislang hat sich niemand in die Niederungen der Details begeben – und da zeigt sich, ob es wirklich so einfach ist oder nur scheint.