11 AM | 17 Sep

Die drei Bibliothek 2.0 Thesen von Timo Borst und meine Antithesen dazu

Update: Böser Fehler, beim schreiben des Artikels in der Bahn ist mir ein Fehler bei dem Namen passiert. Ich bitte dies vielmals zu entschuldigen.

Im Nachhinein habe ich mich sehr darüber gefreut, dass Timo Borst der Zentralbibliothek Wirtschaftswissenschaft seine drei kritischen Thesen zum Vortrag von Anne im netbib Weblog wiederholt hat. Im Gegensatz zu Lambert muss ich den Thesen total widersprechen und stelle zu jeder These eine Antithese auf:

These 1: „Web 2.0 bedeutet vor allem Kollaboration, nicht Partizipation“ Antithese 1: Web 2.0 ist Kollaboration und Partizipation zugleich

Zum einen dient das Web 2.0 dazu, dass sich Benutzer untereinander verständigen, in diesem Fall kann die Bibliothek die Plattform sein für entsprechende Dienste, gleichzeitig können Dienste so gestaltet sein, das die Kommunikation untereinander, eine inhaltliche Anreicherung von Katalogen darstellt und somit auch partizipativ ist. Eine andere Formen der Partzipation kann durch Weblogs gestaltet werden, in den Benutzer kommentieren können. Wenn diese Kommentare ernst genommen werden und auf sie reagiert wird liegt ebenfalls eine Form der Partizpation vor. Somit lässt sich sagen das durch Web 2.0 Techniken sowohl Kollaboration als auch Partizipation gefordert werden können, so dass in meinen Augen eine Gegenüberstellung dieser beiden Ansätze keinen Sinn macht. Für Bibliotheken bedeutet dies, dass man zum einen offene Schnittstellen anbieten muss, damit Benutzer ihre eigenen Dienste entwickeln können. Gleichzeitig sollten Verfahren entwickelt werden (wie das von Jakob Voß vorgestellte), die Informationen die anderswo generiert werden und nützlich sind einsammeln und den Bibliotheksbenutzer anbieten. Gleichzeitig müssen Bibliotheken Möglichkeiten schaffen wie Benutzer ihre Arbeit mit der Bibliothek wieder teilen können und somit an der Entwicklung der Bibliothek partizipieren können. These 2:“ Web 2.0 wird derzeit vor allem von einer Infoelite propagiert und praktiziert“ Antithese 2: Web 2.0 ist eine Bewegung von „unten“ und somit eine Frage der Evolution der wissenschaftlichen Kommunikation.

Wenn man nur den Bereich der Professoren in Deutschland betrachtet könnte sich dieser Eindruck aufdrängen, hier werden Web 2.0 in Deutschland vor allem von Informationswissenschaftlern, Medienwissenschaftlern und teilweise Informatikern verwendet. Wenn man den Blick jedoch ein wenig ausweitet und sich das Web 2.0 insgesamt anschaut sieht das Bild völlig anders aus. Wenn man die Videos von YouTube, Bilder von FlickR und Teilnehmer von MySpace, Facebook und StudiVZ betrachtet, werden diese Technologien von einer viel breiteren Masse eingesetzt. Nicht umsonst liegen die Wurzeln der „Library 2.0“ Bewegung in den öffentlichen Bibliotheken, da es sich um ein Massenphänomen handelt, Deutschland ist im Vergleich zu den Staaten noch immer Web 2.0 Entwicklungsland. Handelt es sich also doch um ein reines Generationsproblem?

Nein, ich denke mit diesem Argument macht man es sich zu einfach. Irgendwie fühle ich mich in der Diskussion ja ein wenig an die Anfänge des elektronischen Publizierens zurück erinnert. Insbesondere das Argument „Wer einen Weblog schreibt, der hat zu viel Zeit.” erinnert von seinem Typos doch sehr an „Elekronische Publikationen sind von minderer Qualität“. Auch dort hat es geheißen das dies ja hauptsächlich von den üblichen Verdächtigen betrieben wird. Wenn man sich die Situation heute anschaut ist elektronisches Publizieren in allen Fachbereichen ein Thema. Somit sind die Ursachen für den geringen Web 2.0 Einsatz in anderen Fachbereichen in dem alter, sondern in den unterschiedlichen Kommunikationsformen der verschiedenen Wissenschaften zu suchen. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, werden neue Formen jedoch von den verschiedenen Disziplinen erprobt und je nach Anwendbarkeit adaptiert.

So ist es spannend wenn Rechtswissenschaftler (siehe den Beitrag von Erick Steinhauer) von einer Verlagerung der wissenschaftlichen Kommunikation in Weblogs sprechen (wobei die Rechtswissenschaft sicherlich nicht zu den üblichen Verdächtigen gehört). Vielleicht lässt sich sogar die These aufstellen das das Publizieren in Weblogs nach dem elektronischen Publizieren eine weitere Veränderungsstufe der wissenschaftlichen Kommunikation darstellt,in dem sehr schnell kleine Informationsbrocken publiziert werden und gleichzeitig die Urheberschaft auf einzelne Gedanken oder Ideen gesichert wird. Auch der Irrtum und die Diskussion um einzelne Ideen gelangen hier zu einer neuen Bedeutung. Diese These wäre jedoch genauer zu untersuchen.

Mit der Aussage das unter der jetzigen Studierendengeneration das Thema Web 2.0 nur teilweise stark im Fokus steht dürfte sogar richtig sein. Jedoch wird wohl niemand bestreiten das das Internet bei den „Digital Natives“ kaum noch wegzudenken ist. Ich denke vielmehr das dies bei den „Digital Natives 2.0“, also der MySpace Generation das Web 2.0 ähnlich verankert ist, unabhängig ob es dann noch so heißt. Natürlich bietet sich hier aber auch eine Chance für die Bibliotheken, ihr oft noch verstaubtes Immage loszuwerden, wenn die heutigen Generation von Studenten in der Bibliothek noch etwas über innovative Technologien für ihr wissenschaftlichen Arbeiten hinzulernen können. Daher sollte die Bibliothek nicht erst den Entwicklungen hinterherlaufen, wenn bereits alle Professoren es auch machen, sondern sich bereits mit neuen Möglichkeiten beschäftigen, wenn diese Entstehen. Dies bedeutet natürlich auch das man sich mal mit einem Trend beschäftigt, der sich später nicht durchsetzt.

Wie sich die Einstellung der Wissenschaft zu Projekten des Web 2.0 verändert lässt sich sehr schön auch an der Wikipedia betrachten wo Josef Winiger für seinen Artikel über Feuerbach erst kürzlich die Zedler Medaille erhalten hat.

Was folgt daraus für die Bibliotheken? Web 2.0 sollte schon heute Thema sein, damit wir die Wissenschaftler im Einsatz der Tools unterstützen können und an der Entwicklung neuer Tools und Konzepte (wie beispielsweise Microformaten) beteiligt sind. Das Web 2.0 ist dabei den Umgang mit Informationen zu verändern und Bibliotheken sollten darauf vorbereitet sein.

These 3: „Den Katalog 2.0 als Web 2.0-Portal zu konzipieren und umzusetzen, wird scheitern“ Antithese 3: Der Katalog benötigt dringend einen Relaunch und somit wird der Katalog als Web 2.0 Portal dringend gebraucht.

Jede Firma, die feststellt, das ihre Webseite über einen längeren Zeitraum vernachlässigt wurde, plant nicht diese schrittweise zu verändern, sondern es wird ein grundlegender Relaunch geplant. Da sich der Bibliothekskatalog in den letzten 5 Jahren kaum verändert hat, sollte dieser dringend einem Relaunch unterzogen werden. Ein Relaunch sowohl in Design als auch Funktionalität. Das mehr Funktionalität nicht unbedingt eine überladene Seite bedeuten muss, zeigen die verschiedenen Katalog 2.0 Beispiele. Auch wenn Katalog 2.0 missverständlich interpretiert werden kann, finde ich diesen Begriff doch sehr treffend, da er zeigt das wir das Prinzip OPAC einmal neu überdenken müssen. Wenn Timo Borst meint das Wissenschaftler heute zufrieden mit dem Katalog sind, dann kann dies auch durchaus damit zusammen hängen das die Alternativen und Möglichkeiten nicht bekannt sind. So können Literaturlisten für Seminare, die in dem Katalog erstellt werden können eine sehr hilfreiche neue Art der Erschließung darstellen, insbesondere bei interdisziplinären Seminaren, da Verbindungen zwischen Büchern hergestellt werden, die der Bibliothekar vielleicht gar nicht gesehen hat. Gleichzeitig stellen sie einen Mehrwert für Seminarleiter dar, da diese sicher sind. Jetzt mit der Entwicklung einer 80/20 Strategie zu beginnen halte ich für zu spät. Alternative Möglichkeit kann das parallel Angebot der „alten“ Oberfläche sein, wie Microsoft dies bei Umstieg von Windows 95 auf Windows XP ja auch angeboten hat. Natürlich wird es nach wie vor konservative Systeme geben, die ihren Nutzer lieber den traditionellen Look bieten.

Ebenso halte ich die These das eine neue Oberfläche den Benutzer überfordern könnte für zu weit hergeholt, da wir heute dem Benutzer ja mit jeder Datenbank und jeder anderen Bibliothek bereits eine neue Oberfläche „zumuten“. Ebenso gibt es wohl weniger Benutzer, die sich im Internet nur im virtuellen Raum der Bibliothek bewegen, somit sind viele Gestaltungselemente eines Katalogs 2.0 bereits bekannt. Ich bin der Meinung Bibliothekare sollten dem Benutzer endlich mehr zutrauen, ansonsten wird es schnell passieren, das uns die Benutzer nicht mehr ernst nehmen.

Über den zweiten Grund muss ich mich nur noch mehr wundern, ich sehe nicht was schlimm daran wäre, wenn Benutzer uns von . „kommerziellen Informationsanbietern ala Yahoo“ kaum noch unterscheiden könnten. Soll das im Umkehrschluss bedeuten Bibliotheksseiten müssen „altbacken“ aussehen, damit man sie als Bibliotheksseiten erkennt? Wenn wir die Besucherzahlen dieser Informationsanbieter haben könnten wäre dies ein großer Gewinn für die Bibliotheken. Der große Unterschied wäre nur, das unsere Basis eine ganz andere wäre, nämlich die bibliothekarische Katalogisierung und Erschließung.

Insgesamt kann man sagen das ich große Achtung vor den Hamburgern haben, die im Beluga Projekt ausprobieren möchten was in Deutschland in Bezug auf Katalog 2.0 angenommen wird und möglich ist. Ich würde mir sehr wünschen das noch viel mehr Bibliotheken diesen Schritt wagen würden. Aber solange die MARC21 Einführung nicht abgeschlossen ist, werden wir das diese Entwicklung angeht, der Open Source Entwicklung in den Staaten zur zusehen können.

Was mich nur nachdenklich stimmt, ist das man ansonsten was das Bibliothekswesen angeht immer gerne in die nordischen Länder und in die Staaten schielt, wo an der Integration des Web 2.0 bereits mit Volldampf gearbeitet wird während wir noch darüber diskutieren, ob dass nicht alles viel zu schnell geht.

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