Biliothekartag 2008:Die Grenzen Sozialer Software in digitalen Bibliotheken
Ben Kaden und Boris Jakob stellt die Frage an den Anfang ihres Vortrags „Die Grenzen Sozialer Software in digitalen Bibliotheken“: Wie viel Nutzerpartizipation wollen wir zulassen? Bibliotheken sollten sich nicht so sehr auf sozial Interaktion an sich kümmern sonder klassisch um strukturierte Inhalte. Hier begehen die beiden meiner Meinung nach den ersten Denkfehler. Da gerade die soziale Interaktion unter den Nutzern immer wichtiger wird. Bibliotheken sollten sich durchaus die Frage stellen, wie diese Interaktion unter den Nutzern durch Softwaretools optimieren und unterstützen können. Da dieser Aspekt nach den beiden nicht zum klassischen Kerngeschäft der Bibliotheken (Definition nach Umstätter) gehört, wurde er innerhalb des Vortrags gar nicht behandelt.
Dann ging es meiner Meinung etwas sprungvoll um die Frage was eine Publikation ist und was wirklich Langzeitarchiviert werden soll. Und es sollen nach Meinung der Referenten Entscheidungskriterien entwickelt werden. Hier wurde ein Vorschlag definiert öffentliche abgeschlossene Werke zu archivieren. Meiner Meinung sollte die Webarchivierung weitgehend vollständig erfolgen, wobei Personen bei persönlichen Daten ein Widerspruchsrecht eingeräumt werden sollte, das verhindert das diese Daten zu Lebzeiten abgerufen werden können.
Anschließen wurde über die bekannen Probleme des Taggings berichtet, das „toread“ Tag und das Bilder de mit einer Nokia-Kamera aufgenommen wurden mit „nokia“ getagt werden, obwohl dies nach Bibliothekarischer Sichtweise keinen Sinn ergibt. Dabei wurde die gesammte Forschung zum Bereich Folksonomy ausgeklammert, erste entwickelte Lösungsansätze für diese Grenzen, wie beispielsweise Häufigkeitsanalysen würden völlig vernachlässigt. Daher war diese Darstellung nach meinem Empfinden ein wenig zu einseitig auf die Grenzen beschränkt, Zuhörer könnten hier in ihren Vorurteilen das Tagging nicht funktioniert bestätigt worden sein. Das Tagging eine wertvolle Anreicherung der bibliothekarischen Erschließung sein könnte kam, ging leider nicht wirklich aus den Ausführungen hervor.
Tags:Bibliothek 2.0, Ben Kaden, Boris Jakob, Folksonomy, social tagging
Ben
„Daher war diese Darstellung nach meinem Empfinden ein wenig zu einseitig auf die Grenzen beschränkt“ – aber das war die Titelstellung des Vortrags.
Natürlich wurde es damit einseitig, aber unser Ziel war erklärtermaßen nicht, unumstößliche Wahrheiten zu vermitteln, sondern gerade etwas überspitzte, umstößliche Aussagen und vor allem überhaupt ein wenig Wucht in die Diskussion zu bringen. Das Anschlussgespräch war ein leider schnell wieder abgekürzter Beginn einer solchen und ganz nach unserem Geschmack.
Uns geht es um Diskurs mit dem Ziel, alle Denkmöglichkeiten miteinzubeziehen, nicht um Handlungsanleitung. Falls dies missverstanden wurde, ist dies sicher bedauerlich.
Um eine mangelnde technische Durchsetzung des Web 2.0 in Bibliotheken/ Bibliothekssystemen muss sich niemand sorgen. Der Worldcat war im Panel das Beispiel, es gibt eine Reihe andere.
Was wir diskutieren sollten – und was zu wenig geschieht – sind die Folgen: Wir müssen nach dem fragen, was wir damit gewinnen und auch nach dem, was wir verlieren.
Mehr dazu folgt demnächst an anderer Stelle.
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So ‘taggen’, dass es Sinn ergibt: Ein Litertaturhinweis. at IBI-WeblogMari*us
…“überhaupt ein wenig Wucht in die Diskussion zu bringen“…dem kann ich so nicht folgen. Der Vortrag begann mit verschiedenen Definitionen von Grenzen. Ich erinnere mich an das Beispiel mit dem abgesperrten Strand. Grenze als Schutz.
Leider wurden die normierenden und normalisierenden Wirkungen dieser Grenzen auf der Gegenseite nicht kenntlich gemacht. Grenze als Begrenzung. Bei mir war keine Wucht zu spüren.
Wer soll denn vor einem „toread“-Tag geschützt werden oder warum sollte ich nicht nach „Nikon“ suchen können, wenn ich nicht vielleicht auch Bilder sehen will, die mit dieser Kamera aufgenommen werden.
Wen schütze ich mit dieser Begrenzung?
Die Profession der gerlernten Tagger_innen?
jge
Sie sind ein bisschen streng mit ihrer Formulierung „Denkfehler“. Ich war nicht auf dem Bibliothekartag, aber ich vermute mal, dass Kaden und Jakob gefordert haben, sich auf die strukturierten Inhalte zu „konzentrieren“ (darauf lässt auch Ihre Formulierung „auf … kümmern“ schließen, als hätten Sie zuerst „konzentrieren“ schreiben wolllen). Die stehen im Mittelpunkt des Angebots. Komfortfunktionen etc. kommen drumherum. Das ist doch ganz sinnvoll, denn man kann nur dann Community haben, die sich um Inhalte schart, wenn man auch Inhalte hat.
Langzeitarchivierung: Hier möchte ich doch mal eine Begründung von Ihnen lesen, warum die Archivierung vollständig erfolgen sollte, und 2. warum, wenn das der Fall wäre, Bibliotheken dafür zuständig sein sollten. Beides versteht sich nicht von selbst. Also: Warum denn alles aufheben? Bitte kommen sie nicht damit, dass der Speicherplatz kein Problem ist, weil der immer billiger wird. Auswahl war immer eine Kernkompetenz von Bibliotheken. Wir strukturieren unsere Inhalte auch über Auswahl. Ich finde daher die Überlegung völlig richtig, dass Bibliotheken sich um Werke kümmern, und dass deren Äquivalent im Web das erste ist, worum sie sich kümmern sollten. Spannende Frage allerdings, was so ein Werk dann sein könnte im Web-Kontext.
Sie sind ja bekanntermaßen ein Verfechter und Anhänger dieser Web 2.0-Zusatzangebote. Aber reden wir doch mal nicht darüber, was sein „könnte“. Tagging „könnte“ schließlich „eine wertvolle Anreicherung“ sein, aber es „könnte“ auch eine hinderliche Verwässerung sein. Es ist nicht per se sinnvoll, und man kann sicher nicht Leute von seiner Sinnhaftigkeit überzeugen, indem man dies einfach wieder und wieder wiederholt.
Hat die „Forschung zur Folksonomy“ auch was darüber zu sagen, ob Nutzer Tags in Bibliothekskatalogen wollen oder vermissen?
Patrick Danowski
@jge: A) Ich schon das man gerade die Kommunikativen Aspekt der Bibliothek (und dieser nicht nicht neu) auf keinen Fall vernachlässigen darf, wenn wir Bibliotheken nur durch das Erschließen, bereitstellen und archivieren von Content definieren vernachlässigen wir beispielsweise radikal den Auskunftsaspekt, diese Sichtweise führt aber vielleicht dazu, dass die Bibliotheken bzw. der Bibliothekar in Deutschland zu wenig wahrgenommen wird.
B) Langzeitarchivierung: Hier gibt es drei Ansätze um dies zu begründen:
1. Der Prozess der Auswahl ist teurer als der Speicherplatz
2. Die Definition was sich zu archivieren loht verändert sich mit der Zeit, so dass häufig eben nicht das archiviert wurde was sich später als Forschungsrelevant herausgestellt hat.
3. Alles zu archivieren heißt nicht das aus dem Material keine Auswahl getroffen werden kann, so ist es durchaus möglich alles zu speichern, aber nur dass was gerade Qualitativ wertvoll erscheint tiefer (z.B. in einer Datenbank) erschlossen wird über den Rest gibts nu die Volltext Suche oder einen browsenden Zugang über die entsprechende Webseite
Natürlich ist klar das noch nicht alle technischen Fragen zum Archivieren aller Inhalte geklärt sind, die Frage ist vielmehr worauf man den Schwerpunkt setzt, in der Definition was Qualität ist und was nicht oder in die Entwicklung der technischen Verfahren damit erstmal alles archiviert werden kann.
C) Das Tagging mehr der Sprache der Nutzer entspricht ist relativ klar. Wie Tagging in der späteren Suche bzw. Relevanz bewertet wird kann darüber entscheiden ob es eine wertvolle Anreichung ist oder eine Verwässerung ist. Aus diesem Grund bildet Tagging ja meiner Meinung auch maximal eine Ergänzung zur bibliothekarischen Erschließung und keinen Ersatz.
Die Frage was Nutzer wirklich wollen und was sie dann apäter auch wirklich nutzen sind bekanntermaßen auch zwei verschiedene. Aus diesem Grund halte es ich für das beste, das man erste Angebote schafft und sich die Entwicklung anschaut. Mir ist jedoch relativ klar dass Bibliotheken solange sie isoliert taggen lassen kaum eine Chance haben die kritische masse die notwendig ist zu erreichen. Hier sind in Zukunft neue Kooperationen gefragt.
Wenn man sich die Erfolge der Tagging Dienste anschaut (Flickr, YouTube, del.icio.us) steht es für mich außer Frage, ob dies Nutzer in Zukunft möchten, nein sie werden sogar erwarten. Dies kann man zwar ncit als empirischen Beweis werten, jedoch sicherlich als Trendanalyse.
Bei Bedarf liefer ich gerne zu dem einen oder anderen Punkt Literatur nach, habe diese gerade aber nicht zur Hand
jge
Kann Ihrer Argumentation mit dem Auskunftsaspekt nicht ganz folgen: geben nicht die Inhalte Auskunft, d.h. sorgen wir nicht für Auskunft, indem wir Inhalte bereitstellen? Was hat Auskunft mit Sozialer Software zu tun? 2.0 ist doch peer to peer, Auskunft ist oben nach unten.
Langzeitarchivierung: ja, sicher, es ist ganz nett, wenn irgendjemand alles komplett speichert. Und Telefonbücher kann man sicher irgendwann zur Ahnenforschung nutzen. Aber es gibt auch Sachen, die werden irgendwann später keinen interessieren, so wie sie auch jetzt schon keinen interessiert haben. Uns interessieren ja jetzt vor allem deswegen historische Stücke auch niederer Qualität, weil wir so wenig insgesamt haben. Hätten wir z.B. soviel Zeug von Barockkomponisten, wie es im Augenblick welches von Rock- und Popgruppen gibt, würden wir nicht darauf hoffen, noch mehr zu finden. —
Ich bezog mich mit der Bemerkung zum „Werk“ auf die Form dessen, was da speicherbar ist, und würde zwischen Archivaufgaben und Bibliotheksaufgaben unterscheiden wollen.
Tagging: Wenn ich Sie recht verstehe, wollen Sie das Tagging mit in die Freitextsuche einbinden, als zusätzliche Möglichkeit, das Ranking zu verbessern. Naja, in Ordnung. Warum nicht. Ich dachte eher an Tagclouds als erstem Zugang zum Bestand, z.B. D.h. in Konkurrenz zur thematischen Suche der Schlagwörter. Da sähe ich keinen Vorteil, oder sagen wir: da sehe ich als SSG-Referent in meiner UB keinen Vorteil.
Vergleich mit Tagging-Diensten: Kann die Argumentation nicht nachvollziehen. Dass es Dienste gibt, bei denen Tagging Erfolg hat, heißt doch nicht, dass Nutzer das woanders auch wollen! — Ich würde ja sagen, dass nur angemerkt, dass Nutzer das „wirklich wollen“, was sie dann auch nutzen, insofern halte ich die beiden Fragen eigentlich für die gleiche.
Naja. Prinzipiell wäre ich froh darüber, wenn die Möglichkeiten unseres OPACs reicher wären, d.h. wenn die Software diese oder jene Möglichkeit überhaupt erst zur Verfügung stellen würde, denn wir müssten so ein Feature ja nicht nutzen.